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ANZEIGER

DEUTSCHES ALTERTUM

DEUTSCHE LITTERATUR

HERAUSGEGEBEN voN

EDWARD SCHROEDER uno GUSTAV ROETHE

DREISSIGSTER BAND

BERLIN WEIDMANNSCHE BUCHHANDLUNG 1906.

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INHALT.

Seite Allen and Haifield, Diary and letters of Wilhelm Müller, v. Walzel 126. 233 BvArnim, 8. Ernst Begiebing, Die jagd im leben der salischen kaiser, von Schröder . . 135 Beheim Schwarzbach, Deutsche volksreime, 2 aufl., von One . . 229 Bischoff, Richard Bredenbrücker, von RMMeyer . . ... .. 143

‚Heinrich Hansjakob, von dems. . 143 vBojanowski, Herzog Carl le u. der Pariser buchliändler Pougens, von dens. . . i 139

Cutting, The modern german relatives ‘das’ and was’, von Pollak . 14 Dijkstra, Holländisch, von Franck . . ae ee Er er 3 220 Dreyer, Franz von Kobell, von RMMeyer ee ee ee Edda, s. Hildebrand- .Gering Eichler, Das nachleben des Hans Sachs vom x bis ins xıx jahr- hundert, von Martin . . . Ede hr ge a a 228 Englert, Die rhythmik Fischarts, von Michel_. . . 20.0. 10 Ernst, Bettina vArnim, Die Günderode, von Öhlke . 2 2 2 2 2. 227 WyEschenbach, s. Martin

Feist, Die deutsche sprache, von Roethe . . 219 Festschrift zum 25jähr. jubiläum der Altertumsgesellschaf Insterburg,

von Schröder . . ee are a 5103 Franz, Beiträge zur Titurelforschung, von Marlin . 222

Gering, Vollständiges wörterbuch zu den liedern der Edda, v. Heusler 81 Gering, Edda, s. Hildebrand Halke, Einleitung in d. studium der numismatik, 3 aufl,, von Schröder 232 Hatfield, s. Allen Heilig, Grammatik der osifränk. mda. des Taubergrundes, von Wrede 54 Heinse, s. Schüddekopf Heyne-Wrede, Stamms Ulfilas, 10 aufl., von Jellinek . . . 137 Hildebrand-Gering, Die lieder der ältern Edda, 2 aufl., von Heusler . 12 Hirzel, Wielands beziehungen zu den deutschen romantikern, v. Schulze 109 Huge 'Scheppel, 8. Ürtel Hungerland, Das wissenschaftliche studium der deutschen aDAeN und litteratur, von Roethe . . 218 Jessen, Heinses stellung zur bildenden kunst u. ihrer ästhetik, v. Walzel 214 Kegel, Die verbreitung der mhd. erzählungslitteratur in Mittel- und Norddeutschland, von Schröder . . 221. Klassert, Mitteilungen aus der Michelstädter kirchenbibliothek, v Martin 224 vKleuze, The treatment of nature in de woıks of Nikolaus Lenau, von Pollak . . . . . 141 Kraus, Metrische untersuchungen über Reinbots Georg, von Heusler . 186 HAkröüger, Pseudoromantik. Friedrich Kind und der Dresdener lieder-

kreis, von Pissin . . ee Krüger-Westend, Goethe und der orient, ‘von RMMeyer ae or a u Litzmann, Goethes Iyrik, von Maync . . 117 Martin, Wolframs vEschenbach Parzival u. Titurel, text u. commentar, |

von Singer . . Be ee Ace al

Wolfram vEschenbach (rede), vondem. 202.0. 87

WV INBALT

EHMeyer, Mythologie der Germanen, von RMMeyer . . ...

WMeyer-Rinteln, Der ursprung der sprache, von Fink . .

Michel, Heinrich Knaust, von Brecht . . . .

MMüller, Wortkritik und ERIAEN DEIIELLDE in Adelungs "wörterbuch, von Jellinck . ° Be, a rer ıee

WMüller, s. Allen über "Haifield“

Nyrop, Das leben der wörter (übersetzt von Vogt), von Franck . .

Olrik, Danmarks heltedigtning ı, von Heusler „. . .

Panıl, Die von LBock aufgestellten regeln über den gebrauch des con- junctivs im mbhd. untersucht an meister Eckart, von Mourek . .

Petersen, Schiller und die bühne, von Köster. . . u

Prölss, Friedrich Stoltze und Frankfurt am Main, von RMMeyer E08

Proömien, Drei, WGurlitt überreicht, von RMMeyer. . . i

Reich, Der mimus ı (2 bde), von Devrient Ba

Remy, The influence of India and Persia on the poetry of Germany, von Schultz . a

Reuschel, Volkskundliche Streifzüge, von Vogt ee 8:

Roetteken, Poctik ı, von Petersen . .

vRoszko, Untersuchungen über das epische gedicht Gauriel v. Muntabel, von Ehrismann . .

Sandbach, The Nibelungenlied and Gudrun in England and America, von Schröder E Ba ar ale ih

Schatz, Die tirolische mundarı, von Lessiak. a

Schüddekopf, Wilhelm Heinses sämtl. werke bd ıt. vr. 1, v "Walzel

Shipley, The genitive case in anglosaxon poetry, von Mourek . .

Staerk, Über den ursprung der Grallegende, von Blöte . n#

Stöckius, Naturalism in the recent german drama, von RMMeyer .

Strackerjan, 8. Wirminghaus

Sulger-Gebing, Wilhelm Heinse . -. . » »

Ulfilas, s. Heyne-Wrede

Urtel, Der Huge Scheppel nach d. hs. d. Hamburger stadtbibliothek, von Bäsecke . . . . ai ee ;

Vogt, s. Nyrop

Walter, Archiv u. bibliothek des Hof- u. nationaltheaters in Mannheim (2 bde), von Minor .

Wilhelm, Die geschichte d. hs, überlieferung von Strickers Karl d. Gr,, von Ehrismann .

Wilmanns, Der untergang der Nibelungen in alter sage und dichtung, von Seemüller . . » ..

Wirminghaus geb. Strackerjan, Karl Strackerjan, von Schröder . .

Wolf, Der groteske u. hyperbol. stil d. mhd. volksepos, von Lambel

Wrede, s. Heyne

® n 2 ®. ® ® ®. . ®

Briefe von Jacob Grimm Zu einem briefe JGrimms an vdHagen, von Lohmeyer Ein brief JGrimms an WvHumboldt, von Leitzmann . Ein brief JGrimns an prof. JEChrSchmidt in Giefsen, von Helm Erklärung von Hatfield und Antwort von Walzel . . x... Fausts geburtsort, von Witkowski . . . . ie Harnaschräm, von Schröder. - 2 2 2 2.2. Hornung, von Walde . . . ..» Nordhumbrisch scepen, von Vietor Zu Sickingens sendbrief an Handschuchsheim, von Kück . Zu Johann von Würzburg, von Roethe . . . . > ei. Personalnolizen . » 2 2 2 2 2 2 2 ee ne... 154. Register . . 2 2 2 2 0200.

Ben ar ie . B 145, vol.

ANZEIGER

DEUTSCHES ALTERTUM UND DEUTSCHE LITTERATUR XXX, 1.2 juni 1905

Mythologie der Germanen. gemeinfasslich dargestellt von Ezarp Huco MEYER.

Stralsburg, Trübner, 1903. vırı und 526 ss. 8 m.

Seiner *Germanischen mythologie von 1891 hat EHMeyer diese gemeinfassliche darstellung nach 12 jahren folgen lassen. der zwischenraum ist dem buche sehr zu statten gekommen: nicht nur dem stil, auch weiten partieen des inhalts merkt man des vfs. ergebnisreiche beschäftigung mit volkskunde und volks- leben an. was das buch vor andern neuern darstellungen unsrer mythologie voraushat, verdankt es vor allem dieser schulung an der beobachtung der volkstümlichen bräuche und anschauungen. aber seine grundideen nachzuprüfen, die einwände gegen seine deutung der Völuspa gründlich zu erwägen, sich über die un- geheuern schwierigkeiten klar zu werden, die sich aus seinen aulfassungen ergeben, dazu hat M. die zeit. so wenig benutzen wollen, dass er kaum je in text oder aumerkungen die erwähnung eines gegners für nötig hält. er führt (s. 500 f) die annäherung an seine anschauung an, die er bei Jönsson und Chantepie de la Saussaye findet; von Bugge allerdings macht er lieber keinen gebrauch! wie aber die fortschreitende religionsforschung ihm auch da, wo er sonst für grofse wahrscheinlichkeit plädieren konnte, den boden unter den füfsen erschüttert hat, konnte er in der freude seiner heidentäuferischen entdeckungen nicht be- merken. |

M.s standpunct ist bekannt. er hat eine sehr scharfe schei- dung der ‘niedern’ und ‘höhern’ mythologie zur grundlage an sich gewis eine fruchtbare unterscheidung. nun aber führt der vf. sie zu entgegengeseizten extremen. die niedere mythologie der undeutlichen dämonenvorstellungen, sagen und gebräuche hält er für nahezu unerschülterlich befestigt von den ältesten tagen bis auf unsre zeit; wie er es denn auch (s. 70) für ein durch- greifendes geseiz der psychologie erklärt, dass eine vorstellung je älter desto unverwüstlicher sei. dies vertrauen hat vor allem das 2 und 4 cap. (‘Seelenglaube’ und ‘Elfen’) zu reichhaltigen und wertvollen schilderungen gemacht, während in cap. 3 (‘Alp- glaube’) gelegentlich allzu materialistische erörterungen stören. wer den appetit von bauern und ‘wilden’ kennt, wird die un- möälsige magenüberladung des primitiven (s. 129) schwerlich nach der uervosität moderner mägen beurteilen! in diesen capiteln

A. F.D. A. XXX. 1

2 MEYER MYTHOLOGIE DER GERMANEN

also glaubt M. durchaus an die berechtigung der folkloristischen methode und zieht überaus gern und häufig analogieen von andera indogermanischen oder selbst fremden völkern bestätigend und deutend heran, selbst sehr auffallende übereinstimmungen wie die totenverkündigung des dämons (s. 198), die feldschenkung an brunnen und quell (s. 201) erklärt er aus urverwantschaft und nimmt auch bei der Wielandsage (s. 161) eigentliche entlehnung nur in engerer begrenzung an. das argumentum e silentio, in den spätern capp. unaufhörlich gegen altgerm. kosmogonie, Baldermythen usw. ausgespielt, gilt hier nicht; vielmehr wird (s. 150) dem Tacitus vorwurfsvoll die nichterwähnung der elfen vorgehalten als ob unsere wissionäre nicht auch über den ‘göttern’ fast stets die ‘dämonen’ übersähen! und selbst was eigentlich blofs der römischen neujahrsfeier ‘so natürlich stand’, wird mit einem ‘doch wol auch’ (s. 327) dem germ. mittwinter- fest zugeschrieben.

Überhaupt schweigt M.s kritik gern, wo es sich um 'volks- tümliche überlieferung’ handelt. die Bravallaschlacht wird (2.268) als historisch, Starkad (s. 322) als leibhafte persönlichkeit behan- delt. und so soll im volksepos gar noch ein paar echter alter idisi fortleben (s. 34); und für das fortbestehen der Alces wird (s. 394 f 403) ein ziemlich künstlicher hypothesenbau aufgeführt.

Hier scheut M. auch davor zurück, den alten Germanen eine niedere culturstufe zu geben. das im heiligen see gebadete numen (s. 9) und Athanarichs bildsäule (S. 318), die doch wol nur fetische, symbolische steine oder klölze waren, fasst er als wirk- liche götterbilder auf. die mechanische mnemotechnik der kate- chese wird feierlich (s. 303) umschrieben: *in frage- und antwort- schriften suchten die priester die rätsel der welt zu ergründen’. und so wird denn hier auch wol eine häufige erscheinung wie der epische eingang der zaubersprüche (s. 32) als ‘höchst eigenartig’ gefeiert, während diese reproductlion der ursprünglichen ‘gelegen- heit’, bei der der gott den zauber einmal ausübte und deshalb immer wider ausüben muss, doch selbst in den fällen wo sie fehlt notwendig vorausgesetzt werden muss.

Aber völlig anders stellt sich M., sobald die ‘höhere mytho- logie’ auftritt. hier spricht derselbe forscher, der sich sonst auf dem völkerpsychologischen standpunct befand und ursprüngliche übereinstimmungen selbstverständlich fand, beständig so, als sei jede ähnlichkeit mit christlichen legenden unbedingt beweisend für entlehnung. die möglichkeit, dass eine mittelalterliche legende etwa von Adam (s. 431) oder dass die ganz vereinzelt auftretende sage vom weinen der ganzen schöpfung (s. 401), die gar nicht ‘gelehrt’ klingt, auf ältere volksmythen zurückgehn könnten, wird nie auch nur einen augenblick in betracht gezogen! und Joch hat die christliche religionsforschung unsrer tage eine starke ab- hängigkeit nicht nur vieler legenden, sondern sogar mancher

MEYER MYTHOLOGIE DER GERMANEN 3

recipierter texte von der einheimischen mythologie höchst wahr- scheinlich gemacht! und doch hat gerade jenes motiv der Balder- sage (alle weinen, nur eins weigert sich) echteste heidnisch-volks- tumliche formulierung! so heifsts etwa in der japanischen mytho- logie (Florenz Japan. mythologie s.273) : ‘alle fische erklärten sich bereit, zu dienen, nur der trepang —’; sodass die christliche legende von der zitterespe sicher secundär ist.

Und von welcher art sind oft die ähnlichkeiten, die M. ge- nügen! die halbstrophe

da begann ich zu gedeihen und weise zu sein und zu wachsen und mich wol zu befinden

erinnert ihn (8. 379) nicht etwa an zahlreiche allgemeine ana- logien (die ihm meine Altgerman. poesie leicht nachgewiesen hätte), zb. in der Rigspula, sondern klingt ihm deutlich an Lucas 2, 40 an : ‘aber das kind wuchs und ward stark im geist, voller weisheit’! und die zweite halbstrophe nicht an uralte symbo- lische wortformeln wie ben zi bene, sondern an .den anfang des Johannesevangeliums! oder für die Wölwa ruft er (s. 440) nicht etwa die analogie der Veleda an, von der er selbst (s. 11. 307) gläubig erzählt hat, sondera die Sapientia des alexandrinischen judentums! sie erklärt ihm die fiction der allwissenden seherin besser, als die stolzen erklärungen der spruchsprecher in den Hav. oder ihrer finnischen collegen! ihren gipfel ersteigt diese äulserlichste analogieenjägerei natürlich in der besprechung der Vol. (51. 346 f 435 f), vor allem bei dem so durchaus heidnisch gemalten kampf (8.463). das stärkste ist die deutung der Gullveig (s. 452) auf Eva, bei der gerade das wesentliche der figur weggezaubert wird, um mit ein paar von den unzählichen an- wendungen der dreizahl ihre christliche natur zu erweisen!

Und welche logik muss dieser voraussetzungsvollen inter- pretation dienen! die erwähnung des grases bei der urschöpfung begegnet nur bei altgerm. dichtern (s.443); M. schliefst aber nicht etwa : also stammt dieser zug in der ags. Genesis wie in der Völ. aus dem heidentum, sondern : ‘so weit steht also die Völuspa- schilderung ganz im banne der christlichen Genesisdarstellung’! ebenso wird bei dem angeführten motiv der Balderlegende (s.401) die übereinstimmung eines ags. gedichts lediglich als christliche bestätigung des Juvencus, nicht aber als volkstümliche zu Snorre gedeutet. freilich begegnen auch sonst merkwürdige schluss- folgerungen. warum können (s. 288) gölter nicht ewig sein, weil sie sowol eltern als kinder haben ? oder wie soll man fol- genden unglückssatz verstehn : ‘die Sachsen stellten nach einem übrigens unhistorischen sieg bei Scheidungen an der Unstrut ein ebenfalls säulenförmiges denkmal auf’ (s. 312)?

Selbst die anerkennung zahlreicher volkstümlicher überein- stimmungen vermag den vf. nicht dazu zu bewegen, Ymi für etwas andres zu halten als für eine rein christliche entlehnung

1*

4 MEYER MYTHOLOGIE DER GERMANEN

(s. 446). die nordische kosmogonie ‘fröstelt einen echt nordisch an’, aber sie entstammt dem Timaeus Platons (s. 444), denn für M. steht es (s. 24. 449. vgl 500) a priori fest, dass die alten Germanen keine kosmogonie besessen haben können. was beweist dagegen die analogie der primitivsten negervölker? was die psy- chologische unglaublichkeit, dass ein volk eine frage nie aufge- worfen haben soll, die sich ihm so aufdrängte, wie jedem kind die : ‘mutter, wo kommen die kleinen kinder her?’, was die nachweise in Lukas vortrefflichem büchlein ?

So bleibt also M. vor allem dabei, dass die Völ. eine *travestie’ (s. 466) ist. ihr vf. muss altgermanische und christliche belesen- heit vereint haben wie nur EHMeyer selbst; die entlegensten stellen etwa bei Irenaeus (s. 445) lagen ihm zur hand. freilich kam er merkwürdigerweise auch so nicht aus; der fromme chiffern- dichter muss auch noch die abendländische philosophie (s. 444) zuhilfe nehmen, was M. selbst doch (s.502) Kauffmann mit gutem recht abstreitet. er will die Genesis in altnord. formeln hüllen und zu diesem zweck folgt er (s. 449) ‘völlig der platonischen schöpfungsgeschichte'!| wie weltenweit sieht diese verwickelte combinationstechnik von den einfachen ‘verkleidungen’ ab, die M. (8.437) als analogieen anführt, wie unglaublich, dass der dichter die heilsgeschichte so ‘zur hauptsache gemacht’ haben soll, dass sie völlig unkenntlich wurde und dass nicht einmal (worauf Heusler mich hinweist) in der tradition der sammler eine ahnung davon lebendig blieb! und was wir gern zugeben, die christlichen schlussstrophen der Voöl., wie wurde gerade das zu einer unbe- greiflichen verläugnung der ganzen mühsamen arbeit! dazu die passion als ‘grolses kryptogramm’ in die formeln der heidnischen weltgeschichte einsticken, um am ende dem verkleideten Christus den einen höchsten als etwas neues gegenüberzustellen |

Aber nicht einmal die drei elemente : christliche gelehrsam- keit, altgermanische ausdrucksweise und antike philosophie ge- nügen. es muss auch noch die altirische kunst aushelfen. nicht nur da, wo ihr einfluss ganz wahrscheinlich ist, wie bei Kormak (s. 44. 293), sondern an der unerwartetsten stelle. das “heilige land’ der Grim. ist ‘eine weite mit bergen besetzte landschaft von durchaus nicht isländischem oder norweg., sondern altirischem stil’ (s. 292). und doch hält M. selbst (s. 312) die burgen für altgermanisch! und was braucht es mehr, um eine burgenaufzäh- lung zustande zu bringen? für gelehrt halten wir diese selbst, wie überhaupt vieles in der skaldischen mythologie, und wider- sprechen hierin M.s principiellen ausführungen (s. 43 f) keines- wegs. aber muss man Irland bemühen, um nur ja den heidni- schen mythologen nicht die grundkarte der himmelsburgen zuzu- irauen? genau so steht es mit dem zwölflgüttersystem : es passt (s. 291) durchaus nicht zu dem der antike, wird aber doch mit ihm unmittelbar zusammengebracht. und weil allerlei schnörkel

MEYER MYTHOLOGIE DER GERMANEN 5)

am ÖOdinsbaum angebracht sind, hat noch nicht Walhall selbst (s. 293) einen irischen charakter.

Es fehlt dem vf. überhaupt durchaus die kraft, den späten gestaltungen der altgerm. mythologie in der weise gerecht zu werden, wie er (s.382) sehr schön das Wilde heer als germanisch- eigenartig zu charakterisieren weils. die darstellung Odins (8.367 f} lässt an der wichtigsten göttergestalt des altgerm. Olymp nur das äusserlichste erkennen. M. stellt sich bier zu den göttern fast so wie der von ihm (s. 55) vortreffllich gekennzeichnete Saxo: mit misstrauischer geringschätzung fürchtet er überall, den heid- nischen göttern zuviel ehre anzutun, und glaubt eigentlich nur an die ‘mathematiker’, die das wunder getan haben, aus dämonen so überzeugende götterfiguren geschaffen zu haben.

Und in diesem licht, glaub ich, werden wir dem eigenartigen und von warmer liebe zur germ. vorzeit und zum volke durch- drungenen werke am besten gerecht. wie des Saxo ebenso werth volle als unzuverlässige darstellung ist dies interessante werk auf- zufassen. auch hier hat ein gelehrter und kluger mann sic- geäussert, der aber doch von seinem wissen zu wenig fort kann um einfache dinge einfach zu sehen, und der von seinen mei- Dungen zu stark beherscht ist, um unabhängig zu unterscheiden,

Wir bezweifeln nicht, dass methodische forschung nicht nur in der Edda, sondern auch in gebräuchen und aberglauben noch. mancherlei christlichen und auch fremden einfluss nachweisen wird. aber die untersuchung muss methodisch fortschreiten, wie Müllenhoff, M.s verehrter aber doch verleugneter lehrer, vor allem es gelehrt hat. in der art EHMeyers vorgefasste meinungen durch weithergeholte parallelen (die sich oft genug würklich erst in der unendlichkeit treffen!) für bewiesen zu halten, kann ich (wie in dem bei anderer tendenz gleichartigen ‘Balder’ Kauffmanns) nur rückfall in die mehr oder minder geistreich ratende mythen- vergleichung der Rühs und Kanne, Görres und Creuzer erblicken.

Berlin 18 januar 1904. Rıcuarp M. Meyer.

Der untergang der Nibelungen in alter sage und dichtung. von WILHELM Wırmanss. [Abhandlungen der kgl. ges. d. wiss. zu Göttingen, phil.- hist. classe. nf. bd vır ur 2.] Berlin, Weidmannsche buchhandlung, 1903. 44 ss. 4°. 3 m.

Grundgedanken dieser bedeutenden, für sagen- wie litteratur- geschichte wichtigen abhandlung sind bereits in der anzeige ent-. halten, die Wilmanns über Lichtenbergers Nibelungeubuch 1892 veröffentlicht hat (Anz. xvın 66ff). was dort wie ein apergu er- schien, das ihm unmittelbar aus der quellenlectüre auftauchte, ist hier in weitausgreifende innere zusammenhänge gebracht, mit grofsem scharfsinn eines zur unterstützung des anderen verwendet und zu einem gesamtbild der entwicklung der sage und ihres bedeutendsten litterarischen niederschlags, des Nibelungenlieds,

6 WILMANNS DER UNTERGANG DER NIBELUNGEN

vereinigt. wie der litel besagt, geht die untersuchung auf den zweiten teil der gesamisage; motive des ersten musten natürlich auch berührt werden und werden es auch, uamentlich in der ersten hälfte der abhandlung, die das schatzmotiv in den vorder- grund stellt; aber sein gefüge selbst wird nicht analysiert weil Wilmanns für diese fragen noch auf seinem standpunct von 1892 steht, den uns die anzeige darlegt? oder weil er auch für diesen eine ähnliche darstellung spart, wie er sie hier für die untergangs- sage gibt? jedesfalls nöligt das eingehn auf seine in die Sieg- fried-Brunhildsage hinübergreifenden reconstructionen auch motive zu berühren, die in diese gehören, und man empfindet es als mangel, dass Wilmanns seine heutige stellung zu ihnen gar nicht erkennen lässt.

Die methodische grundlage beobachtung und vergleichung der verschiedenen sagenberichte ist dieselbe geblieben wie in der anzeige. hier geht er über sie hinaus durch die bypothe- tische combination der vergleichungsergebnisse. wir fassen den aufbau zu dem er schliefslich gelangt wol richtig und auch im sinne des urhebers so auf, dass Wilmanns in ihm eine hypothese bietet die den tatsächlichen verhältnissen der über- lieferung seines erachtens am besten entspricht. wie stark auch die bedenken gegen sie sein mögen, der versuch ihrer an per- sönlich bedeutenden gedanken reichen construction an sich bleibt in bobem grade dankenswert und ist tatsächlich in vielen be- ziehungen fruchtbar.

Die abhandlung zerfällt in zwei hauptteile : der erste sucht die älteste forım der untergangssage zu erreichen. leitfaden ist dabei das schatzmotiv. Wilmanns bahnt sich den weg durch folgende erwägungen:

Wenn Gunther und Attila die historischen personen, wenn Gunthers untergang der reflex der zerstörung des burgundischen reiches sein soll, so bleibe unverständlich die art, wie Gunther und Hagen an Atlis hof durch einen verräterischen überfall (— Wilmanns hat offenbar die Atlakv. im auge —) bewältigt werden da sei keine spur von erinnerung an einen völker- kampf. Atlis feindschaft ruht in seiner gier nach dem schatze, dieser stehe auch im mittelpunct des zweiten teils (der gesamt- sage) : hier sei gegenstand das schicksal zweier personen, Gunthers und Hagens, die, um das geheimnis des schatzes zu wahren und ihn keinem dritten zu überlassen, einander dem verderben preis- geben. so erscheine der zweite leil nur als eine fortsetzung, Ja variante des ersten, der nibelungischen Siegfriedsage : zwei eigner des schatzes, Regin Fafnir, Gunther Hagen, hier wie dort; beiderseits ein ungleiches und in den verhältnissen ihrer charak- tere vergleichbares brüderpaar; jedes der paare um des schatzes willen dem verderben geweiht, durch Siegfried dort, durch Auli hier ; ‘der furchtsame bruder verlangt das herz des andern’, Regin das

WILMANNS DER UNTERGANG DER NIBELUNGEN 7

Fafnis, Gunther das Hagens; auch Brunhilds und Gudruns rollen seien vielleicht analog : beide verlangen und bewirken den tod des siegers, Siegfrieds dort, Atlis hier.

Beballe man nun im auge, dass in der älteren nordischen überlieferung Gudrun den tod der brüder rächt, so sei die ein- heit des inneren gefüges dann erreichbar, wenn man Gudrun aus dem ersten teil überhaupt wegdenke, Brunhild nicht aus eifer- sucht, sondern einzig darum, dass Siegfried sie durch teuschung für Gunther erworben habe (— sie halte gelobt, nur den zum manne zu nehmen, der mit Fafnis erbe zu ihr käme —), zum tode Siegfrieds reizen lasse (rolle des schatzes!). nach dem schatze den Gunther nunmehr besitzt begehre Atli, er vermähle sich mit Gunthers schwester, lade die schwäger heimtückisch ein, töte sie und falle selbst der schwesterrache. der schatz bleibt für immer verborgen das symbol des *mit neidischer zähigkeit festgehaltenen, in den fluten des wassers oder den tiefen der erde verborgenen goldschatzes der natur’.

So sei der kern dieser sagen nicht historisch, und wenn es würklich nötig sei, Gunther und Atli als träger der historischen namen anzuerkennen, so dürften sie ‘durch eine umdeutung der sage, durch eine nachträgliche beziehung auf historische ereig- nisse für andere namen’ eingetrelen sein.

Ich hoffe diesen auszug aus Wilmanns einleitenden gedanken objectiv genug gehalten zu haben, dass der leser den ersten ein- druck ihrer stärke wie ihrer schwäche sofort empfange : der stärke, die darin ligı, dass das schatzmotiv, das in der beurteilung sonst vom liebesmotiv gedrückt zu werden pflegt, hier keinesfalls ver- nachlässigt ist, und dass das misverhbältnis zwischen dem liebes- motiv und der rolle Gudruns in der nordischen form in seiner vollen stärke erfasst wird; der schwäche anderseits, die darin ligt, dass rein äufserlich ähnliche motive, wie Regins verlangen nach Fafnis, Gunthers nach Hagens herz, der tod Siegfrieds durch Brunhild, Atlis durch Gudrun, das verhältnis Fafnis zu Regin, Hagens zu Gunther parallelisiert, und vor allem, dass eine der stärksten wahrscheinlichkeiten in den grundzügen der sage: die identität der figuren Gunthers (+ Gutthorms) und Atlis mit ihren historischen namensbrüdern Gundicarius (-- Godomarius) und Attila in zweifel gezogen und durch eine bare möglichkeit er- setzt wird,

Wäre seizt Wilmanns, zur deutschen fassung der unter- gangssage übergreifend, fort die historische erklärung des zwei- ten teils richtig, so sei nicht verständlich, wie das neue, der deutschen sage eigentümliche motiv der gattenrache durch Kriem- hild die durch Thidrekssaga und Nibelungenlied bezeugte sagen- form hätte hervorrufen können : denn auch die gattenrache brauchte nur das schatzmotiv genügend auszunützen, um Etzels habsucht zu reizen, den untergang der mörder Siegfrieds dadurch herbei-

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zuführen und dann, durch die pflicht der blutrache, den tod Eizels. der verlauf wäre dann in den hauptzügen der nämliche geblieben. und so entstehe der verdacht, ob das gefüge der nordischen über- lieferung würklich das ursprüngliche sei und nicht selbst schon eine Jüngere entwicklung.

Diese vermutung bestätigt sich ihm wider von der deutschen sage aus, an der er als auffällig hervorhebt, dass Kriemhild an einigen stellen des liedes, vor allem aber in der schlusssceene insofern aus der rolle fällt, als sich ihre gedanken, fern von Siegfried, auf den schatz und seine erwerbung concentrieren : während in der deutschen sage das schatzmotiv sonst stark zu- rückgetreten ist, spiele es hier eine hervorragende rolle, und diese sei als rest einer ältesten fassung anzusehen, in der Kriemhilds habgier das entscheidende charakterzeichen und die triebfeder der handlung gewesen sei.

So ergebe sich eine auch hinter der nordischen erzählung zurückliegende sagenform, in der die schwester der nibelungischen brüder deren schatz begehrt, ihren gatten Etzel in ihr interesse zieht und den tod der brüder herbeiführt; hierauf wendet sie sich gegen Etzel selbst und bewirkt seinen untergang. In diesem zweiten act des zweiten teils, aber nur in diesem, wäre Wilmanns geneigt einen reflex historischer sage zu sehen: einer ursprüng- lich selbständigen erzählung vom ende des historischen Attila, die sich mit der sage vom untergang der Nibelungen verbunden habe, weil das verhältnis Gudrun-Kriembilds zu Atlı einen ab- schluss erhalten muste : die gatten seien wie in der Signy- sage als ungleich und feindlich gedacht gewesen. um diesen zweiten mit «dem ersten act des zweiten teils enger zu verknüpfen, habe die nordische version Atli zur hauptperson des ersten actes gemacht, sodass Gudrun - Kriembild im zweiten als rächerin der brüder erscheine; die deutsche liels den zweiten act als solchen fallen, schuf im motiv der gattentreue einen edleren beweggrund für Kriembilds handlungsweise, schleppie aber neben dem neuen hauptmotiv noch immer das alte kennzeichen Kriembilds, ihre babgier, mit sich fort. Eizel trat zurück, und seine seltsame passive rolle war damit inauguriert.

Damit schliefst W. den ersten teil seiner untersuchung : die älteste forın der untergangssage ist construiert, aus ihr versteht er die grundzüge der überlieferten nordischen und der noch Jüngeren deutschen version.

Genügen nun die von ihm wahrgenommenen anstölse, um die neue construction zu rechtfertigen? es sind folgende:

1) in der nordischen überlieferung schützt Gudrun die brüder, die ihr den gatten getötet, gegen Atliı und rächt ihren tod an diesem. also misverhältnis zwischen erstem und zweitem teil beseitigt, indem W. Gudruns eigenschaft als witwe Siegfrieds aus- schaltet.

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2) in der deutschen überlieferung tritt Kriemhilds habgier neben ihrer gattentreue befremdend hervor. daraus erklärt, dass sie rest eines älteren zusammenhangs sei, der Kriemhild allein aus habgier handeln liels.

3) der nordische Ali tötet die nibelungischen brüder durch verräterischen überfall, nicht in einem völkerkampf, der südliche Etzel spielt eine passive rolle; Atli handelt aus privater habgier, im süden ist Kriemhild die hauptperson. also sei von historischer grundlage der untergangssage nichts zu merken.

Man sieht, die puncte des anstofses sind einmal aus dem einen, das andere mal aus dem andern zweige der überlieferung genommen. methodisch ist dagegen nichts einzuwenden, denn jeder der beiden ist selbständiger zeuge, und die glaubwürdigkeit seines zeugnisses wird aus der analyse seiner inneren zusammen- hänge zu gewinnen sein.

Jene anstölse zunächst sind so, dass sie mehr als &ine deu- tung erlauben. das misverhältnis zwischen Gudruns eigenschaft als Siegfrieds witwe und ihrer rolle beim untergang der brüder ist allerdings da : aber muss es jüngeres product einer weiler- entwicklung älterer einfacherer und einheitlicherer fassung kann es nicht anzeichen eines zustandes loserer und älterer zu- sammenfügung ursprünglich selbständiger sagenganzen sein? der zwiespalt ist ja im norden selbst bemerkt worden, darauf deuten der vergessenheitstrank, der für Gudrun von Kriemhild gebraut wird, die versuche, durch eine bufse für Siegfrieds tod sie zu versöhnen, vgl. Detter-Heinzels Edda ıı 507, zum zweiten Gudrun- lied. und ein sagenganzes, das ihr von anfang an die rolle der schützerin und rächerin der brüder, Atli die des habgierigen mörders der Gjukungen zuteilt, stellt die drei gruppen handelnder personen in ungleich bestimmteren umrissen vor uns, als Wil- manns construction, in der Gudrun den brüdern aus habgier feindlich ist, Atli aber die farblose rolle des *mitschuldigen’ spielt.

In der deutschen überlieferung hinwider ist das schatzmotiv ja gewis verdunkelt : nicht sowol sein hervortreten in der schluss- scene an und für sich aber fällt auf, als sein gesamtes, hier enger, dort oberflächlich mit der handlung verbundenes erscheinen. dass Kriemhild zuletzt das leben Gunthers und Hagens an den schatz knüpft, ist wol nur folge dessen, dass nach dem morde der schatz Siegfrieds, ihre morgengabe, geraubt wurde : sie muss ihn als Siegfrieds erbe zurück wollen, und wenn sie in der antwort auf Hagens entscheidende weigerung sagt: wil ich doch behalten daz Sivrides swert, so zeigt sich deutlich genug, in welchem sinne sie die frage nach dem schatz gestellt hatte. |

Lässt drittens die Atlakvida den offenen angriff auf die be- sitzer des schatzes vermissen, so wissen hinwider die Atlamgql von einem dem untergang vorausgehnden kampfe, von der deutschen überlieferung gar nicht zu reden. ‚und steht Etzel in ihr im

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hintergrunde, so ist er der anstifter des untergangs der Nibelungen im norden,

Diese einwendungen sollen nur zeigen, dass die schwierig- keiten, die W. hervorhebt, keineswegs auf seine lösung als die einzig mögliche hinführen müssen. für sich allein kann die mög- lichkeit sie unter anderem augenpunct aufzufassen, natürlich keineswegs ausschliefsen, dass die von Wilmanns mit dem auge combinierender phantasie geschaute composition in der tat ge- eignet wäre, die allmählichen zuwüchse und veränderungen der sage sowie die unharmonischen züge ihrer haupigestaltungen am leichtesten zu verstehn. sie will auch als ganzes betrachtet sein, und hier erhebt sich die hauptfrage, ob sie dem reichtum der tatsächlichen überlieferung gerecht wird.

Ist die Gunther-Kriemhild-erzählung (der zweite teil der ‘schatzsage’) eine widerholung der Siegfried-Brunhildsage und waren beide ursprünglich selbständig, so versteh ich nicht, wie die zweite als fortsetzung sich an die erste anschlielsen konnte, da man bei solcher ähnlichkeit doch vielmehr vermuten müste, dass die eine in der anderen mit stärkerem oder schwä- cherem austausch einzelner motive aufgegangen wäre; war sie aber eine secundäre entwicklung, sprossform der ersten, so wäre doch continuität der haupifiguren anzunehmen (wie sie etwa im zweiten teil des Rothergedichts erscheint), und die habgier der Kriemhild kann doch nicht wol plötzlich aufgetreten sein ohne innigere vorausgehnde verbindung mit dem das ganze durch- ziehenden schatzmotiv.

Handelt ferner Brunbild im ersten teil gegen Siegfried aus begier nach seinen schatze (— und Wilmanns erklärt, wenn ich ihn recht versteh, Brunhilds zora daraus, dass sie nur den zum gatten hatte nehmen wollen, der mit Fafnis erbe zu ihr käme —) so kommt ein motiv der sage, die weissagungen der vögel, nicht zur geltung, das ich, im gegensatz zu neueren auffassungen, durch- aus nicht für jung, sondern für einen alten bestandteil der Sieg- frieds- erzählung halte : die märchenzüge vom kampf mit dem drachen, der erlernung der vogelsprache, der erwerbung des hortes, der tötung des zwerges, dem ritt auf den verzauberten berg hängen enge zusammen und sind keines vom andern zu trennen. in der deutschen sage sind nur bruchstücke aus ıhnen vorhanden, diese genügen aber, um das ganze auch für sie in anspruch zu nehmen. den drachenkampf kennen Nibelungenlied und Thidreks- saga sowie der hürnen Seyfried, die erwerbung des hortes das Nl., die tötung des zwerges die Ths., das motiv von der vogel- sprache widerum diese und wol auch die dem hürnen Seyfr. zu- grunde liegende sagenform !, von einer (ersten) fahrt zu Brun-

ı was ich gegen Pauls auffassung des motivs betonen möchte. als

Seyfrid die getöteten würmer verbrennt, schmilzt ihr horn und fliefst als bächlein : str. 10 des wundert Seyfrid sere, ein finger er dreyn stieß; do

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hild weifs ausdrücklich Ths. (c. 168, in welchem ich wie Heusler deutsche sage sehe), dunkel Nil. wie diese disiecia membra zu- sammenzufügen, wäre aus der deutschen überlieferung allein schwerlich zu erraten, aber der eddische zusammenhang ist durch- aus befriedigend und ihm widerspricht in der deutschen sage nichts wesentliches. speciell das motiv von der vogelsprache ist in der nordischen darstellung nicht blofs für die handlung wichtig, sondern verrät auch in seiner gestaltung das bewustsein seiner aufgabe den fortschriti der handlung herbeizuführen : in ihm ist der antrieb zu einer nach rückwärts würkenden handlung, der tötung Regins, und einer nach vorwärts würkenden, dem ritt zu Brunhild, enthalten; die innere ökonomie seiner darstellung ist diesen seinen hauplaufgaben angepasst : die vögel geben zuerst drei räte, Siegfried führt den ersten und zweiten aus und isst Fafonis herz; dann erst sprechen sie ihren vierten rat, und hier- mit beginnt der zweite abschnitt in Siegfrieds leben : mit Regins tod ist der erste zu ende, jener ruhepunct bedeutet den einschnitt. die Ths. weils freilich vom inhalt dieses vierten rates nichts, ob- wol sie den zweiten treu bewahrt hat, aber der anfang von c. 168 scheint jemand vorauszusetzen, der den helden auf den weg zu Brunhild schickt, und Mimis äufserung, c. 167, der ihm den Grani aus Brunhilds rosshof verspricht, genügt nicht, weil in würklich- keit der zwerg der letzte gewesen wäre ihm den weg zu zeigen. die spuren künstlerischer absicht in der nordischen darstellung des vogelmotivs können an und für sich natürlich nicht das alter des motives selbst verdächtigen, und ist der vierte rat echt, ist überhaupt von der gestalt Fafois nicht die zauberkraft seines blutes, von dieser die weissagung der vögel, von dieser wider der ritt zum berge nicht zu irennen, so bleibt, mein ich, für eine kritik, die der überlieferung sich anschliefsen will, nichts übrig, als diesen ganzen motivencomplex auch für diejenige form der sage vorauszusetzen, die uns als die älteste einigermalsen sicher erreichbar ist. in ihnen ligt zunächst aber nicht die mindeste spur, dass die jungfrau auf dem berge nach dem schatz begehre : als Fafnis erbe kommt Siegfried zu ihr nur insofern als er durch die tötung des drachen als der furchtlose sich er- wiesen hat, mit dem schatz selbst hat sie unmittelbar nichts zu tun (er fallt ihr auch nicht zu, als Siegfried ermordet ist). in ihnen Jigt ferner die andeutung, dass mit der in die sage jetzt eintretenden frau ein neues, vom schatze unabhängiges motiv würksam wird, die beziebungen vom manne zum weibe. es ist richtig, das schatzmotiv, wie es teils in hervorragender rolle, teils

im der finger erkalte, do was er im hürnein. Wol mit dem selben bache schmirt er den leybe sein. hier ist zwar von der hornhaut die rede wie in Ths. und Ni., diese haben aber dabei nichts vom antippen mit dem finger dieser geberdenzug gehört zum motiv von der erlernung der vogelsprache.

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episodisch und verdunkelt in den verschiedenen sagenberichten zum ausdruck kommt, rät zur erschliefsung einer ursprünglich selbständigen schatzsage, das kann aber nicht bedeuten, dass die uns in viel reicheren beziehungen überlieferten hauptpersonen der gesamtsage schon in jener ihre auf sie zugeschnittene rolle gespielt hätten; denn das liebesmotiv wäre dann auszuschalten, seine aufgabe ist aber in allen zweigen der überlieferung viel zu enge mit der handlung verbunden, als dass wir es ohne willkür- lichkeit dürften, ja dort wo der übergang vom schatz- zum liebes- motiv stattlindet, und dort wo beide verbunden zusammentreflen als der erbe Fafpis die jungfrau auf dem berge findet —, ist jenes diesem oflenbar untergeordnet, und zwar im sinne einer, von anfang an auf steigerung angelegten composition. von einer selbständigen schatzsage ist hier schwerlich eine spur; würkte eine solche ein, so muss es an einem anderen puncte der handlung geschehen sein.

Vom liebes-, nicht vom schatzmotiv aus wird denn auf die hinter unserer überlieferung liegenden sagenformen geschlossen werden müssen, und darin, dass W.s reconstruction dem liebes- motiv nicht gerecht wird, seh ich ihren hauptifehler. es sei mir, um nicht in der blolsen negation zu verbleiben, gestattet, die um- risse jener sagenanalyse zu zeichnen, die ich derzeit für erreich- bar und anderseits für weit genug halte, um die hauptmotive der überlieferung in sich zu fassen. ich setze dabei, aus den unter- suchungen Heinzels, voraus, dass die selbständige existenz einer sage von einem helden, der die braut durch kampfspiele zu ge- winnen hat und dabei eines helfers bedarf, wahrscheinlich ist, und dass die risse im inneren gelüge des ersten teils der nordischen Nibelungensage zur annahme einer alten zweiheit von Siegfried- heldinnen führen, einer Sigrdrifa (— so nennen wir sie. wäre selbst der name nicht der ursprüngliche, doch noch immer am besten —) und einer Brunhild.

Zur ursprünglichen Siegfriedsage gehörig seh ich nur die figur der Sigrdrifa an : wie diese sage von der scene der er- weckung der schlafenden ab verlief, ist nicht mehr deutlich, weil von diesem motiv ab das gefüge durch identificierung mit der einer anderen sage angehörigen figur der Brunhild verdunkelt ist. die analyse muss sich darauf beschränken, zwei selbständige zusammen- hänge vorauszusetzen, die den auseinandergehnden zweigen der überlieferung möglichst gerecht werden. ich nehme denn an 1) ein sagengebilde von Siegfrieds jugend, seinem verhältnis zu Sigrdrifa, dh. seiner verlobung mit ihr; er gerät aber in fremde dienstbar- keit (ladet den schein oder die schuld der untreue auf sich ?) und führt dadurch seinen und ihren tod herbei; und 2) eine sage von einem helden, der um ein weib wirbt; es zu gewinnen reichen seine kräfte nicht aus, er braucht und findet einen helfer, der sıe ihm gewinnt. dadurch dass derjenige, in dessen dienstbarkeit

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Siegfried nach sage 1) geriet, mit dem werbenden helden der zweiten sage identificiert wurde, trat die zweite sage in die erste und flossen die beiden frauengestalten zusammen. in der nor- dischen überlieferung lassen sich stufen der verschmelzung noch beobachten, von den widersprüchen der Eddalieder und ihrer programmatischen zusammenfassung in der Gripisspa bis zum ver- such ihrer verschleierung in der Volsungasaga; die deutsche gibt der zweiten sage in der gestaltung der frauenfigur durchaus die oberhand, wenn auch die erste in dem motive von. einem ersten besuche Siegfrieds bei Brunhild noch nachwürkt, stärker in der Thidrekssaga, ganz schwach im Nibelungenlied.

Die veränderung die durch den einfluss von 2 auf 1, nament- lich auf dessen zweite hälfte, hervorgerufen worden ist, steht aber bereits in verbindung mit einer dritten sage, der von Atli und dem untergang Gunthers : im norden erscheint die heldin der zweiten sage als schwester Atlis, im norden und im süden ist Atli mit einer frau vermählt, die einst Siegfrieds gattin war. es hiefse bier eine durch die historische, wie die sagenhafte über- lieferung mehrfach gesicherte stellung aufgeben, wenn man die namenliste der lex Burgundionum, die tatsache vom untergang des Burgundenreiches durch die Hunnen, die nachricht des Pris- cus vom tode des Attila und ihre sprossform beim comes Mar- cellinus vernachlässigte, um die in all dem liegenden parallelen zur sage durch annahme einer erst secundär geschehenen spätern übertragung der historischen namen auf ursprünglich ganz fremde sagengebilde zu ersetzen oder höchstens eine engere historische sage von Attilas tod in die erzählung von den Nibelungen auf- genommen zu denken. ob das hinzutreten der dritten sage durch namensgleichheiten mitbewürkt wurde oder nicht, jedesfalls ıst höchst wahrscheinlich, dass das schatzmotiv den hauptantrieb zur verbindung lieferte.

Ob der schatz, den Siegfried sage 1 durch Fafnis tölung gewinnt, auf seinen tod einfluss nahm, steht dahin; ich bezweifle es, wenn ich beobachte, wie zb. auch in der Ortnitsage dem helden-drachentöter nicht blols ein weib, sondern auch eine strahlende rüstung bestimmt ist. die vorgeschichte des schatzes, seine fluchbeladene herkunft wird daher eine specifisch nordische und cyklische erweiterung des motives sein. aber dass der schatz, nach dem Atli begehrte, als der Siegfrieds und der der Nibelungen angesehen wurde, ist wol, sobald das schatzmotiv überhaupt ver- bindende kraft gewonnen hatte, natürlich.

Die deutsche sagenform steht in mehreren wichtigen zügen noch insofern auf älterer entwicklungsstufe als die nordische, als sie die.dem sagengebilde 2 angehörigen motive selbständiger hervortreten lässt und auf einen zustand loserer zusammenfügung hindeutet : sie kennt zb. noch das motiv der kampfspiele (neben dem brautnachtsmotiv), in voller geltung im Nibelungenlied (ver-

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blasst zu einer redescene, in